Bündner Haute Route – von Winterraum zu Winterraum

Auch dieses Jahr gab es für unsere Skitourenführer im Verein eine besondere Tour, die sie zur Lizenzverlängerung nutzen konnten. Vier Tage ging es dabei von Madulain nach Davos über die Berge. Das sind die vier großen Etappen der bekannten Bündner Haute Route. Als Unterkunft nutzten wir die vorhandenen Winterräume – nun aber der Reihe nach:

Los ging es am Donnerstag, 25.01.24 um 5:30 Uhr am P&R Karlsruhe Süd. Noch halb im Schlaf fuhren wir mit einem 9-Sitzer nach Davos – hier möchten wir am Sonntag wieder ankommen. Im Regen verteilten wir geschützt unter einem Vordach die Gruppenausrüstung und das Essen für die kommenden Tage und zogen uns um – vermutlich das letzte Mal für die nächsten 96 Stunden. Mit dem Zug ging es dann über mehrere Kloster durch den Vereinatunnel Richtung St. Moritz nach Madulain. Hier starteten wir mit Sonne und Wind unseren 3-stündigen Aufstieg. Die Wegfindung war recht einfach: Anfangs noch über zugeschneite Wanderwege und Forststraßen, später dann weit ins Val de Es’cha hinein, bevor wir dann abbogen, um zur gleichnamigen Hütte zu kommen. Trotz der Sonne war es im Wind sehr ungemütlich, so dass wir nur sehr kurze Pausen einlegten. Letztenendes freuten wir uns alle sehr, als wir um 16:30 Uhr in der Dämmerung die Hütte erreichten. Schnell war klar, dass wir alleine sind, schließlich mussten wir erst einmal den zugeschneiten Eingang zur Hütte frei schaufeln. Und dann ging es los: einer machte Feuer im Kochofen, zwei andere holten Schnee zum Schmelzen, der nächste kümmerte sich um die Lager und der letzte um unser Material. Auch wenn es die ersten zwei Stunden nur mit Daunenjacke auszuhalten war, war es doch eine sehr urige und gemütliche Hütte. Zum Essen gab es Spaghetti Bolognese mit Soßenpulver und hochwertigem verschweißten Tomatenmark angemacht - sehr lecker, aber auch nicht ganz so leicht im Rucksack, weshalb das auch gleich am ersten Abend zubereitet wurde. Die verbleibende freie Zeit wurde mit dem Überarbeiten der Tourenplanung verbracht, auch wenn das bedeutet, dass einer nochmal vor die Hütte musste, um mit dem Handy Netz zu suchen, ohne das wir nur umständlich an die Informationen des Lawinenlageberichts kommen.

Durchquerungen sind zwar etwas ganz Besonderes, aber wenn die Schlüsselstellen auf der Tour auf Grund von Wetter/Lawinenlage nicht passierbar sind, wird alles komplizierter. Und am nächsten Tag stand mit der Porta Es’cha solch eine auf dem Plan: Mit bis zu 45 Grad Neigung, in der Nähe des Kamms und nach Osten exponiert, war damit zu rechnen, dass hier Triebschnee (vom Wind verfrachteter und störanfälliger Schnee) anzufinden ist. So wurden schon im Vorfeld ein paar mögliche Herangehensweisen besprochen.

Um 22 Uhr ging es dann auch ins Bett – mit zwei Decken bewaffnet ließ es sich gerade so aushalten. Um 6 Uhr heizte ich den Ofen wieder an, so dass wir um 7 Uhr kochendes Wasser und eine beheizte Stube zum Frühstücken hatten. Zu Essen gab es Porridge gemischt mit Haferflocken. Was sich vielleicht ganz lecker anhört, sieht mit warmem Wasser vermengt schon gar nicht mehr so lecker aus. Und wie es schmeckt? Naja, lassen wir die Frage so stehen. Es gibt auf jeden Fall eine Menge an Energie.

Um 9 Uhr ging es dann los – es dauert doch immer länger, bis alles gespült, gefegt und wieder aufgeräumt ist. Wieder mit Sonne ging es auf einem Rücken weiter bergauf, bis die Scharte in Sicht kam. Wie erwartet mussten wir die Spur etwas kreativ anlegen, um die Triebschneefelder zu meiden bzw. diese hoch zu traversieren. Die letzten 40 Höhenmeter ging es dann zu Fuß auf den Grat. Ein Ski musste vor dem Körper quer in den Schnee gedrückt werden, damit man im weichen Schnee überhaupt laufen konnte. Die Rückseite der Scharte war hingegen abgeblasen, so dass wir hier einfach absteigen konnten. Wer wollte, konnte sogar eine für den Sommer installierte Kette zum Festhalten nutzen. Hier änderte sich das Wetter: Die Wolken zogen rein und innerhalb von 30 Minuten konnte man im Sturm mit Schneegestöber kaum noch etwas erkennen. Aus diesem Grund entschieden wir uns, die Besteigung des Piz Kesch, welche mit Steigeisen und Pickel recht anspruchsvoll ist, nicht anzugehen. Stattdessen besuchten wir einen kleinen Nachbargipfel, den Kesch Pitschen (2918m). Von hieraus ging es dann direkt zur Keschhütte: Eine sehr schön sanierte, riesige Hütte, die sich trotzdem toll in die Landschaft integriert. Hier war alles etwas komfortabler: ein größerer Herd, eine Spüle, Handyempfang (zumindest nur 5 Gehminuten von der Hütte entfernt) und elektrisches Licht. Zu Essen gab es wieder Instant-Nudeln mit Gemüse.

In der Nacht beruhigte sich das Wetter und der Vollmond ließ die weißen Hänge hell erleuchten.

Der nächste Tag sollte der anstrengendste werden, so dass wir uns entschieden, eine Stunde früher aufzustehen. Die Morgenroutine blieb beim Alten: 5 Uhr Feuer machen, 6 Uhr Frühstück der Kohlenhydratpampe, alles wieder sauber machen – und um 7:30 Uhr waren wir abmarschbereit. Vor der Tür wurden wir mit einem Himmel belohnt, wie ich ihn bislang noch nicht gesehen habe: Es war schon hell, die Himmelfarben verliefen von Rosa über Violette ins Hellblaue und der Mond stand noch immer neben unserem Berggipfel. Die gemachten Fotos sahen aus wie auf dem PC nachbearbeitet. Wirklich besonders, dass wir so etwas Schönes erleben dürfen. Die erste Stunde fuhren wir das flache Val Funtaina hinaus. Der Schnee war teils fluffig, teils mit einer leichten Schmelzkruste versehen. An der Alp Funtaina fellten wir dann die Ski wieder auf und der Anstieg begann. Über den Gletscher Valdret Vallorgia suchten wir uns einen Weg auf das Scalettahorn. Vom Gipfel aus gab es ein beeindruckendes Bergpanorama. Besonders im Süden stachen der Piz Bernina und der Palü mit Piz Zupo (3998m) heraus - hier waren wir vor zwei Jahren.

Weiter ging es dann auf das Plateau unterhalb es Piz Grialetsch. Hier teilten wir uns auf. Ein Teil fuhr zur Hütte ab. Elias und ich machten uns mit Steigeisen und Ski auf dem Rucksack auf zum Gipfel. Wir mussten uns durch den tiefen Schnee wühlen und durch die Wechte graben, es hat aber alles geklappt und wir wurden mit einer atemberaubenden Abfahrt über die Nordwand belohnt. Natürlich hatten wir gehofft, dass das klappt, sonst hätten wir die Ski nicht mitgenommen, aber wir hielten es auf Grund der Lawinenlage für aussichtslos. Umso erstaunter waren wir, dass wir in den sehr steilen Stellen keinen Triebschnee vorfanden. Dafür war er recht hart, so dass Elias sogar mit Pickel in der Hand die ersten steilsten Stellen abfuhr. Nach diesen ersten spektakulären 100 Höhenmetern fuhren wir noch durch eine steile Rinne und dann in feinstem Pulver insgesamt 800 Höhenmeter hinab. Auf den nun zusätzlich anstehenden 400 Höhenmetern zur Hütte begleitete uns der Sonnenuntergang. Wir schafften es gerade so vor der bergauf ziehenden Schattengrenze zu bleiben – es blieb sogar Zeit, alle Wasservorräte im Rucksack an einem Loch im Bach zu füllen, so dass wir weniger Schnee schmelzen mussten. Vor der Hütte standen fremde Ski – das heißt, dass wir nun nach drei Touren-Tagen wieder andere Menschen sehen würden. Das ist natürlich schön, wobei wir auch nichts dagegen gehabt hätten, auch noch den letzten Tag alleine zu verbringen.

Die drei anderen Gruppen zogen beim Abendessen große Geschütze auf: die einen machten Älplermagronen, die anderen Thai-Curry und ein älteres Ehepaar Pilze-Risotto (natürlich alles mit frischen Zutaten). Da konnten unsere  ****Nudeln mit Käsesoße nicht ganz mithalten – dafür waren sie in nur 5 Minuten fertig, was in Anbetracht des Brennholzmangels auf der Hütte auch von Vorteil war.  Auf der Hütte saßen wir alle noch zusammengekuschelt bis 21 Uhr im Winterraum, bevor wir dann auf die Zimmer gingen. Am nächsten Morgen gab es wieder unseren Haferflockenschleim – diesmal aber mit kaltem Schneewasser, da das Brennholz komplett zur Neige gegangen war. Aber darauf kam es leider auch nicht mehr an. Persönlich hatte ich das Glück, dass ich mir jeden Morgen ein Drittel meines mitgeschleppten Liters Vollmilch unterrühren konnte. Das machte es dann doch geschmacklich interessanter, so dass sich das Trainingsgewicht auszahlte.

Am Sonntag ging es dann wieder bei Kaiserwetter nochmal in eine etwas heikle Scharte. Drei Schneedeckentests und zig Spitzkehren später hatten wir das auch geschafft und konnten vom Radüner Rothorn (3021m) erstmals unser Ziel, die Fluelapassstraße, und in weiter Ferne die Pischbahn sehen. Über weite Hänge legten wir einige Kilometer zurück, bis wir schließlich das Ospiz Flülapass auf der Passhöhe erreichten. Von hier aus fuhren wir dann die gesperrte Passstraße (im Winter die Audi-Teststrecke) zu unserem Sprinter hinunter. Hier angekommen freuten wir uns alle auf einen großen Burger auf dem Heimweg, eine warme Dusche am Abend und ein Frühstück ohne Hafer-/Porridge-Glibber.