Skitourenduchquerung Bedretto

Am 19.1. war es wieder so weit. Unsere jährliche Vereinseinweisung stand auf dem Programm. Hier bilden sich die Skitourenführer unseres Vereins fort und verlängern ihre Tourenführerlizenz. Deswegen stehen hier immer ein paar speziellere Touren auf dem Programm. Dieses Jahr wollten wir die Berge südlich des Val Bedretto kennenlernen. Die schroffen und steilen Berge, die vielen Seen und die verwinkelten Landschaften machen die Gegend zu einem besonderen Tourenziel.

So traf sich unsere sechsköpfige Gruppe am Donnerstag Abend am P&R in Ettlingen um gemeinsam zu dem am südlichen Ausgang des Gotthardtunnel gelegenen Airolo aufzubrechen. Die Aufregung war spürbar – waren doch auf 3000m -20°C vorhergesagt. Dazu sollte es gerade am Samstag noch stürmisch werden. Als wir um 23 Uhr bei -9°C aus dem wohl temperierten Auto stiegen erwartete uns zwar niemand mehr persönlich, aber außer unseren Betten benötigten wir auch nicht viel.

Am Freitag gab es um 7 Uhr typisch italienisches „Frühstück“: Ein Croissant und einen Kaffee ;-)

Im Anschluss wurden die Rucksäcke gepackt – sie waren etwas voller als sonst. Nicht nur die Gruppenausrüstung und das Essen für den Winterraum mussten untergebracht werden, auch eine Extralage für Beine, Rumpf, Kopf und Hände waren mit dabei. Barbara entschied sich sogar dazu über der lange Unterhose einfach auch noch die Jogginghose anzubehalten.

Mit dem Auto ging es dann nochmal 20 Minuten Richtung Nufenenpass nach Ossasco, dem Ausgangspunkt für unsere Durchquerung. Vor dem Auto wurde nicht lange verweilt. Die -13,5°C, leichter Wind und Schatten zwangen zügig los zu laufen. Die ersten Höhenmeter mussten über einen Wanderweg durch den Wald zurück gelegt werden. Hier blieb es nicht aus, die Ski auch mal zu tragen. Über weite Hänge ging es dann bei schönstem Tourenwetter durch Val Torta nach Süden Richtung unserer Unterkunft „Capanna Cristallina“ auf 2600m. Die 1300 Höhenmeter wurden erst gegen Ende zäh, als die Berge die Sonne verdeckten und auch der Wind immer stärker wurde. Bei -17°C, was sich den Sturmböen wie -28°C anfühlt, erreichten wir die Hütte. Auf der ganzen Tour sahen wir keine andere Tourengeher und auch der Hüttenwirt klagte, dass alle anderen Reservierungen storniert wurden. So verbrachten wir in dieser kleinen Runde einen doch sehr besonderen Hüttenabend.

Am nächsten Morgen präsentierte sich das Wetter wie vorhergesagt: Noch mehr Wind und klirrende Kälte. Selbst der Schließzylinder der Terrassentür im wohltemperierten Essensraum war mit einer Eisschicht überzogen und hinter der Hütteneingangstür türmten sich 30cm Schnee auf, den es unter der Tür hindurchgedrückt hatte. Auch die Sicht war durch die Wolken und den vom Sturm aufgewirbelten Schnee in der Luft sehr diffus. Daher entschieden wir uns erst einmal abzuwarten. Als das Wetter um 11 Uhr immer noch nicht deutlich besser war planten wir unsere Tour um. Ziel war immer noch der Winterraum der Capanna Basodino, jedoch verzichteten wir auf die Gipfel Piz Cristallina (2912m) und Poncione di Braga (2864m), so dass wir eine anderen Weg wählen konnte. Dieser führte uns durch mehr felsdurchsetzes Gelände, was die Sicht und damit auch die Orientierung verbesserte. Im laufe unsrer Tour beruhigte sich der Wind ein wenig und die Sicht wurde besser. So konnten wir den Blick auf das Plateau Robiei genießen. Darunter auch der Stausee Lago di Robiei mit seinen beeindruckenden Materialseilbahnen und Zweckbauten. Über die Materialstraße ging es dann zur Hütte. Besonders beeindruckend war ein kurzer Tunnel, der von Eiszapfen überseht war. Diese hingen nicht nur von der Decke, sondern wuchsten auch „aus dem Boden“. Einige waren so groß, dass sie zu regelrechten Eissäulen anwuchsen. Vorsichtig durchquerten wir das Eislabyrinth – schließlich sollte niemandem ein Zapfen auf dem Kopf fallen… Das war wirklich ein sehr bizarres Bild.

An der Hütte angekommen mussten wir erst einmal die Tür freischaufeln. Dem Hüttenbuch war zu entnehmen, dass seit dem 30.12. niemand mehr den Winterraum genutzt hatte. Die Ausstattung der Hütte lies keine Wünsche offen: Elektroheizung, Herd mit Backofen, Steckdosen, fließend Wasser (und das ununterbrochen, damit die Leitung nicht einfriert) und sogar WLAN. Allerdings dauerte es einige Stunden, bis wir im Aufenthaltsraum für uns gemütliche 16°C erreicht hatten ;-)

Neben uns waren noch 16 weiter Reservierungen für den Winterraum eingetragen, so dass es dann doch recht eng geworden wäre. Aber auch hier blieben wir unter uns, so dass wir einen weiteren Tag ohne Menschenkontakt verbrachten.

Zu Abend gab es Risotto, verfeinert mit Parmesan und gerösteten Sonnenblumenkernen. Um 22 Uhr gingen wir nachdem nochmal die Tour des nächsten Tages besprochen war ins Bett.

Am Sonntag gab es Porridge zum Frühstück. Noch kurz alles zusammengepackt, das Geschirr abgespült und die Unterkunft sauer gemacht – und los ging es zur letzten großen Etappe.

Bei sehr wechselnden Schneebedingungen (von Eiskruste bis hin zu 20cm weichem Schnee) führte uns der erste Aufstieg über einen zugefrorenen See in die Scharte östlich des Pizzo Fiorina. Hier querten wir in der Abfahrt die Hänge um möglichst wenig Höhe für den zweiten Aufstieg zu verlieren. Schon von weitem sahen wir die unter einer das Tal durchquerenden Hochspannungsleitung unser nächstes Ziel, die Bocchetta di Formazzora. Eine Scharte, von der aus uns eine recht steile Abfahrt wieder ins Bedrettotal zurück führt. Auch hier waren die Verhältnisse recht unterschiedlich: In den Rinnen fanden wir noch schönen weichen Pulverschnee, auf den abgeblasenen Rücken kratze das Eis unter unseren Stahlkanten. Die letzten Höhenmeter folgten wir wieder einem Wanderweg. Diesmal durch recht lichten Wald, so dass wir bis auf die Passstraße bei All Acqua abfahren konnten. So ging der dritte Tourentag zu Ende – abermals ohne einer andere Menschenseele zu begegnen oder gar zu sehen.

Per Anhalter ging es dann zum Auto zurück, wo erst einmal die deponierten Snacks geplündert wurden. In einer Pizzeria in Weil am Rhein gab es dann neben Pizza und Salat auch die Abschlussbesprechung. Es wurde viel gelernt und besondere Erfahrungen gesammelt. Besonders die schroffe Landschaft gepaart mit der Abgeschiedenheit und dem widrigen Wetter ermöglichten uns ein einzigartiges Erlebnis, das uns sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben wird.